von Lutz Fiedler
Als im 8. Jahrtausend in den Gebieten um das östliche Mittelmeer ein allmählicher Wandel von der Wirtschaftsweise des Jagens und Sammelns zum Anbau und der Viehhaltung stattfand, dauerte es noch zwei Jahrtausende, bis sich diese neue Lebensform dort ganz durchsetzte und weitere zweitausend Jahre, bis diese Zivilisationswelle auch ganz Mitteleuropa erfasst hatte. Neben den sozialen und religiösen Veränderungen waren die äußeren Merkmale: Ackerbau (Getreide), Viehzucht (Rind, Schwein, Schaf, Ziege), Hausbau, Keramik und Gewerbe. Nach den besonderen Verzierungen auf dieser Keramik nennt man diese frühzeitliche Bauernkultur „Bandkeramik“. Ihre Siedlungen erstrecken sich vom Donauraum bis nach den Niederlanden. Besonders die fruchtbaren Lößböden wurden aufgesucht und so ist es verständlich, dass sich ihre Siedlungen auch in Rübenach finden.
Siehe erste Funde in Rübenach
So zeichnen sich alle, in früheren Zeiten in der Erde ausgegrabenen Vertiefungen als Verfärbungen im Boden ab. Diese liefern bei sorgfältigen Ausgrabungen oft die wissenschaftlich wichtigsten Ergebnisse. So kann man an den „Pfostenlöschern“ eines Baues den Haustyp der früheren Jungsteinzeit ermitteln. Die Bandkeramiker errichteten erstaunlich große Wohnhäuser von 5 bis 8 m Breite und einer Länge von 15 bis 50 m. Die Häuser waren durch Zwischenwände aufgeteilt und die Außenwände waren mit Lehm verputzt. Weil dieser Lehmverputz oft erneuert werden musste, befinden sich außen, an den Längsseiten der Häuser, unregelmäßige Gruben, die der Bodenentnahme dienten. Da diese Gruben offen blieben und Abfälle aller Art (Zierknochen, Keramik, zerbrochenes Gerät usw.) aufnahmen, sind sie für die Erkenntnisse der Wissenschaft von ganz besonderer Bedeutung. Die meisten Funde auf der Ackeroberfläche stammen aus solchen Gruben, welche vom Pflug angerissen wurden.
Modell bandkeramischer Häuser
Der Rübenacher Fundplatz wird durch eine gut gebrannte Keramik gekennzeichnet, deren Formen halbkugelig bis birnenförmige Töpfe aller Größen waren. Zur Befestigung über dem Herd sind sie mit Knubben und Ösen besetzt. Kennzeichnende Verzierungen sind hier Bänder in Winkel- und Bogenform, die mit kleinen Einstichen ausgefüllt sind. Diese Stiche wurden häufig mit einem kamm- oder gabelartigen Instrument gemacht, so dass es ganze Stichreihen-bänder gibt. (Glasuren finden sich auf urgeschichtlicher Keramik nie. Diese beginnen erst im hohen Mittelalter ab dem 12. Jahrhundert n. Chr.)
Rübenacher Fundplatz Kruppstraße – Bandkeramik: großer Kumpf der älteren Epoche, mittelgroßer und kleiner Kumpf aus der jüngeren Epoche. (Privatsammlung Erich Schwamm)
Die Geräte dieser Menschen bestanden aus Stein und Knochen. Charakteristisch ist das geschliffene Beil aus Basalt oder ähnlichem Gestein. Es hat einen D-förmigen Querschnitt und war wohl meist quer, dechselartig geschärft. Derartige Gräte wurden bei vielen Völkern noch vor 100 Jahren (Stand 1975) mit Geschick benutzt.
Viele Werkzeuge wurden mit Feuersteinschneiden versehen. Die Bruchstücke solcher Messer, Bohrer und Pfeilspitzen finden sich recht häufig. Aus Knochen wurden Schaber, Pfrieme, Glätter und andere Geräte gemacht, die im Haushalt nützlich waren.
Alle diese Dinge, die uns aus der materiellen Kultur überliefert wurden, vermögen auch ein Licht auf die Lebensweise der Bandkeramiker zu werfen. Alle Werkzeuge, der Hausrat und die Behausungen wurden selbst hergestellt. Die Familien, Hau und Dorfgemeinschaften waren dadurch unabhängig und selbstständig. Handwerker im heutigen Sinne gab es nicht, wenn auch vielleicht einzelne Leute bevorzugt, nicht für den eigenen Gebrauch, sondern auch für Nachbarn, bestimmte Dinge angefertigt haben mögen. Eine gesellschaftliche Machtstellung war dadurch nicht zu erringen. Da aber Feldbestellung, Hausbau und Wildschadenverhütung auf den Feldern besser organisiert funktionierten, kann man mit einer bestimmten Lenkung und Führung innerhalb eines damaligen Großhauses oder Dorf rechnen.
Pfeilspitzen und Wildtierknochen zeigen, dass die Jagd neben der Landwirtschaft eine Rolle spielte. Die Frauen, die durch Schwangerschaft und Kinder mehr an das Haus und dessen Umgebung gebunden waren, können wir uns bei der Gefäßherstellung, beim Weben und der Zubereitung der Nahrung vorstellen, hingegen wird die Jagd mehr von den Männern ausgeübt worden sein. So zeichnet sich hier deutlich eine gewisse Geschlechts bedingte Differenzierung der Arbeit und damit der Ordnung innerhalb der Gemeinschaft ab. (Das wird aber auch bei den altsteinzeitlichen Jägergruppen schon ähnlich gewesen sein)
Von den religiösen Vorstellungen wissen wir wenig. Die wiederholt gefundenen weiblichen Statuetten oder Idole aus gebranntem Ton sind ein gewisser Hinweis auf den Kult einer weiblichen Mutter- und Fruchtbarkeitsgottheit.
Einen anderen Einblick in die gesellschaftlichen und religiösen Vorstellungen vermitteln die Friedhöfe und Bestattungen aus jener Zeit. Wir kennen solche Plätze mit fast hundert Beisetzungen. Die Toten sind gelegentlich verbrannt worden, meistens aber auf der Seite liegend, mit angewinkelten Beinen beigesetzt. Oft finden sich in den Gräbern Beigeben: Gefäße, Werkzeuge, Schmuck und Waffen. Besonders prächtig ausgestatte Gräber gibt es nicht. Ein uns heute beigabenlos erscheinendes Grab kann damals natürlich mit Decken, Körben, Holz- und Lederwaren versehen worden sein, doch diese Dinge sind vergangen und verbieten es uns, sichere Schlüsse zu ziehen.
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Bestattung der brandkeramischen Grabungsfotografie Kultur
Aus dem Mittelrheingebiet sind kaum steinzeitliche Bestattungen bekannt. Eine um so größere Überraschung war es, als zur Jahreswende 1973/74 eine Beisetzung innerhalb der Siedlung an der Kruppstraße, hinter der Autobahn A48 entdeckt wurde. Nach tieferen Pflügen lagen menschliche Zähne auf der Ackeroberfläche. Dadurch aufmerksam geworden, konnte eine ovale Grube mit einem seitlich liegenden Skelett aufgedeckt werden. Es war trotz der Zerstörung von der Oberfläche her erstaunlich gut erhalten. Diese Bestattung wurde im ganzen gebogen und befindet sich jetzt (Stand 1975) und Präparierung im Staatlichen Amt für Vor- und Frühgeschichte in Koblenz.
Die jüngere Steinzeit dauerte im Rheinland etwa 2500 Jahre. In dieser Zeit änderte sich manches in der Siedlungsform, im Hausbau in den Gerätschaften und Bestattungssitten.
Nach der „Bandkeramik“ kam die „Rössener Kultur“, die „Michels-berger Kultur“ und die sogenannte „Rheinische Becherkultur“. Aus diesen Zeiten gibt es in der Rübenacher Gemarkung einige Einzelfunde, z. B. Pfeilspitzen besonderer Machart (vom Mittelpfad und Auf der Höll). Eine Siedlung konnte bisher nicht entdeckt werden.
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Quelle Buch Rübenach eine Heimatgeschichte
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