von Hans Gappenach
Das freundlicherweise zur Verfügung gestellte Bild, das Anlass zu einigen Reminiszenzen geben soll. Zeigt die im Jahre 1806 als Bürgermeistertöchterchen geborene Gertrud Zerwas (aus dem Stamme der „Knibbichs“) geb. Kray aus der Sippe der „Blünze“. Also eine Ur-Rübenacherin, wie jeder weiß, der die Nr. 11 dieser Abhandlung gelesen hat. Das Photo selbst dürfte aus den 50/60er Jahren des 19. Jahrhundert stammen.
Zu dieser Zeit bereits wurden Trachten nur mehr von wenigen, den urwüchsigen Bevölkerungsteilen (bäuerliche Familien) zugehörigen Personen getragen – und nur bei besonderen Anlässen –, denn seit 1850 kam es in einem raschen Prozess zum verschwinden dieser Bekleidungsform, jedenfalls in stadtnahen Gebieten, wohingegen in abgelegenen Landstrichen sie sich als ein wenig zählebiger erwies. An ihrer Stelle trat die „modische Kleidung“, jene, die heute auf den Fastnachtsbällen von den „Möhnen“ getragen wird. Die Männer wandten sich dem „Gehrock“ zu. Nur wenige Gewerbe (Halfen und Fuhrleute etc.) trugen die übernommenen Trachten noch einige Zeit als Berufsbekleidung.
Die Trachtenforschung, die als ein Wissenschaftszweig innerhalb der Volkskunde um 1900 einsetzt, hat damals bereits große Schwierigkeiten gemeldet; sie fand kaum die nötigen Objekte für ihre Untersuchungen. So heißt es in einem Bericht aus diesen Jahren, dass halbwüchsige Knaben mit Steinen nach trachtentragenden Frauen und Mädchen würfen, ein Zeichen, wie sehr sich diese Kleidung überlebt hatte!
Die Herausbildung der Volkstrachten vollzog sich im 16. Jahrhundert, bedingt durch das Aufkommen verschiedener Lebens- und damit auch Bekleidungsweisen bzw. eine Scheidung innerhalb der Bevölkerung in die „gebildeten“ Stadt- und die „bäuerlichen“ Landbewohner, beidseitig bewusst und gewollt als Folge der Bauernkriege. Von da an blieben die Ländlichen ihrer Volkstracht über Jahrhunderte treu, während die Städter sich dem Geschmack der Fürsten und Edelleute anpassten. Für die Trierischen Lande wurde „um dem immer größer werdenden Luxus entgegenzutreten“, sogar eine „Kleiderordnung erlassen, wonach Samt und Seide dem Adel vorbehalten blieb, die Bürgerlichen Wolle und die Bauern Tirtich (eigengewebter und -gewalkter, rauher, ungemein haltbarer Leinen- oder Wollstoff) tragen sollten.
Selbstverständlich gab es eine „Rübenacher Tracht“ im strengen Wortsinne nicht, sondern sie entsprach derjenigen, wie sie im Rhein-Mosel-Gebiet gebräuchlich war. Was Frau Zerwas auf dem Photo trägt, ist die Tracht der eifelländischen und maifeldischen Gebiete, wozu Rübenach, wenn auch an den allerletzten Ausläufern liegend, dennoch rein geografisch betrachte, gehört. Sie bestand aus einer „Haube“ (Mütze, Ulles, Kappe; in der hier gezeigten Form mit Schleife unter dem Kinn war es das „Staatsstöck“ und in Rübenach „Kammödcher“ geheißen; junge Mädchen trugen als Variante die sog. „Ohreisenmütze“), ferner Mieder und Rock, aus Kattun (im Sommer) oder Tirtich (im Winter) geschneidert sowie einer meist bunten Schürze. Das Brusttuch durch eine Agraffe gehalten, gab den eigentlichen Schmuck ab, je nach dem Alter hell oder dunkel, mehr oder weniger farbenprächtig, meist in Stickerei handgearbeitet. Für besondere Anlässe (Trauerfall, Brautkleid etc.) waren Varianten möglich und vorgesehen, wie ferner für Werktag/Sonntag und Sommer/Winter
Daneben lag auch diese so traditionsbewusste Kleidung in bestimmten Einzelheiten (Rocklänge; Miederschnitt, Knöpfe etc.) modischen Veränderungen, die z. T. sich im Laufe der Zeit gravierend auswirken konnten: Um zum Vergleich die Gegenwart und eine noch lebende Volkstracht heranzuziehen: Sowie Dirndl nicht gleich Dirndl ist, wie der Kenner etwa Unterschiede zwischen der Oberbayrischen und der Allgäuer Form feststellen kann, so wies auch die „Rheinische Tracht“ gebietsweise starke Verschiedenheiten auf: Wenn auf dem Koblenzer Wochenmarkt Eifler und Hunsrücker Bäuerinnen zusammenkamen, so waren sie sehr leicht, vor allem an den Kopfbedeckungen zu erkennen.
Ob die sogenannten „Tugendpfeile“, an sich eine zugehörige Eigenheit dieser Trachtenform, auch in Rübenach von den „unbescholtenen Jungfrauen“ getragen wurden, ist heute nicht mehr auszumachen; ich möchte es fasst verneinen, denn sie hätten sich sonst als stets weitervererbte Kostbarkeiten in den Familien erhalten müssen.
Als besonderer Vorzug der gezeigten Tracht wäre noch anzumerken, dass das „Kammödche“ – keineswegs bei allen Volksstämmen so – die Möglichkeit bot, das Haupthaar in unverhüllter Natürlichkeit zu zeigen, was ein Licht wirft auf die gesunde Lebensauffassung und ein ausgeprägtes Schönheitsgefühl der Frauen dieser Gegend – „Weibsleuth“ würde man früher in allen Ehren gesagt haben –, aber auch auf den gesamten hiesigen Menschenschlag, wobei sich aus ganz erklärlichen Gründen die M ä n n e r wiederum hinzuzählen dürfen, denn die bunte adrette „Verpackung“, in der sich die Frauen zu allen Zeiten gern präsentierten, hatte (und hat) letztendlich nur einen Grund i h n e n zu gefallen.
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Quelle Buch Rübenach eine Heimatgeschichte