Eingemeindung Fluch oder Segen für die Gemeinde?
Was am 07.11.1970 vollzogen wurde und bis zu seiner Rechtskräftigkeit damals hohe Wellen schlug, ist heute nach 50 Jahren wohl nur noch ein Datum im Geschichtsverlauf von Rübenach. Tatsächlich war die Eingemeindung nach Koblenz damals jedoch alles andere als nach jedermanns Geschmack. Nach rund 1200 Jahren die Eigenständigkeit zu verlieren war für viele hier vor Ort nicht einfach zu akzeptieren.
Schon einmal im Jahre 775 gab es eine „politische“ Veränderung, da wurde Rübenach dem Kloster Hersfeld geschenkt. So steht es jedenfalls in der Einleitungsbeschreibung aus dem Buch „Rübenach eine Heimatgeschichte“ von 1975. Damals geschah dies aber unter anderen Vorzeichen, denn man war würdig, wohlhabend und gleichzeitig stolz darüber.
Zeit vor der Eingemeindung. Die Grabenstraße in den 1960er Jahren Foto Wilfried Mohr
Einer der noch lebenden Zeitzeugen aus dem damaligen Gemeinderat Georg Dötsch erinnert sich. Niemand hier vor Ort wollte die Eingemeindung nach Koblenz. Als eigenständige Gemeinde mit dem Anschluss an die Verbandsgemeinde Weißenthurm war man allgemein zufrieden. Rübenach, so Georg Dötsch weiter, sei auch zu diesem Zeitpunkt keine arme Gemeinde gewesen. Noch im Jahr vor der Eingemeindung seien Kanalbaumaßnahmen auf den Weg gebracht worden.
In einem Schreiben vom 3. September 1968, das alle Gemeinderatsmitglieder unterzeichneten, wurde darin die Eingemeindungsabsicht durchaus kritisch betrachtet. Nach deren Ansicht sei dies keine Lösung des Stadtumlandproblems. Vielmehr würde man in die Probleme der Stadt Koblenz mit einbezogen.
Viel sarkastischer noch brachten es seiner Zeit beim hiesigen Karnevalsumzug einige Rübenacher Karnevalisten mit ihrem Slogan auf den Punkt: „Alle die nach Koblenz wollen, deren Köpfe sollen rollen“. Doch durch die geänderte Gesetzeslage ließ sich der Schritt nach Koblenz auch dadurch nicht mehr verhindern.
Unter Leitung des damaligen Bürgermeisters Ernst Müller setzte sich ein Gremium zusammen, dass sich mit den Auswirkungen für Rübenach auseinandersetzte. In zähen, teils schwierigen Verhandlungen mit den Stadtvertretern wurde schließlich nach langem Ringen einen unterschriftsreifen Vertrag ausgehandelt.
Die Rhein Zeitung berichtete 1970 mehrfach in Artikeln über diese letzten Aktivitäten des Rübenacher Gemeinderates. Etliche Bereiche, die im Ort vorhanden und genutzt wurden, sollten schließlich berücksichtigt und in das Vertragswerk mit eingebunden werden. Vieles habe man damals auch versprochen, was aber letzten Endes bei weitem nicht eingehalten wurde. Einen Festakt zum Stichtag 7. November 1970 hat es (wohl aus verständlichem Grund) nicht gegeben, vielmehr wurde das Unterzeichnen des Auseinandersetzungsvertrages im kleinen Kreis vollzogen. Siehe Vertrag Teil 1, Teil 2.
Nachfolgende Eckpunkte zeigen den Werdegang bis zur endgültigen Eingemeindung.
Chronologie
1963 – Durch die in Rheinland-Pfalz begonnene Verwaltungsreform tritt eine entscheidende Wende ein. Im Zeitraum von 1966 bis 1974 wurde durch insgesamt 18 Gesetze eine „Verwaltungsvereinfachung“ in die Wege geleitet.
1967 – Oberbürgermeister Willi-Werner Macke forderte vom damaligen Regierungspräsidenten Waldemar Leibmann die Eingemeindung von Nieder- und Oberlahnstein, Arzheim, Arenberg, Kesselheim, Bubenheim, Rübenach, Güls, Lay, Waldesch und Kapellen-Stolzenfels. Diese Forderung blieb jedoch „aufgrund dringender Gründe des öffentlichen Wohls“ zunächst ohne Erfolg.
1968 – Am 14. November stimmte der Stadtrat dem Entwurf zum 5. Landesgesetz über die Verwaltungsvereinfachung zu.
1970 – Durch das 9. Landesgesetz über die Verwaltungsvereinfachung werden 6 Gemeinden – u. a. Rübenach – aufgelöst. Mit der Unterzeichnung der Auseinandersetzungsverträge, vertreten durch Bürgermeister Ernst Müller und Oberbürgermeister Willi-Werner Macke vom 02.11.1970, verloren die Gemeinden ihre Eigenständigkeit und wurden mit Wirkung 07.11.1970 in die Stadt Koblenz eingegliedert. Gleichzeitig wurde der Landkreis Koblenz in seiner bisherigen Form aufgelöst.
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22.10.1970 – Die letzte Gemeinderatssitzung wurde laut Niederschrift am 22. Oktober 1970 abgehalten. Interessanter Weise findet die bevorstehende Eingemeindung hierin nur in einem Nebensatz, in Bezug eines Bebauungsplanes, erwähnt sowie Umbenennungsvorschläge für Straßendoppelbezeichnungen in der Gemeinde Rübenach. Niederschrift der Gemeinderatssitzung siehe hier.
07.11.1970 – Mit diesem Datum trat die Eingemeindung endgültig in Kraft. Für Rübenach änderte sich fortan einiges. In erster Linie ist hier zu nennen, dass der Gemeinderat aufgelöst wurde und es gab keinen Ortsbürgermeister mehr. An deren Stelle trat als „Entschädigung“ (so die damalige Formulierung der Stadt) ein Ortsbeirat sowie als dessen Vorsitzender ein Ortsvorsteher. Dieser hat jedoch keine eigene Entscheidungsgewalt mehr, sondern nur noch eine beratende Funktion. Beschlüsse über den Stadtteil Rübenach fällt seitdem der Rat der Stadt Koblenz, dem jedoch auch gewählte Ratsmitglieder aus Rübenach angehören.
14.01.1971 – In der ersten Ortsbeiratssitzung vom 14. Januar wurde Paul Hens CDU mit 6 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen gegenüber Willi Reif SPD als erster Ortsvorsteher von Rübenach gewählt. Protokoll der ersten OBR Sitzung siehe hier.
Bereits im ersten Jahr ihrer Tätigkeit bemängelten Mitglieder des Ortsbeirates in einer Entschließung die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung in Sachen Wünsche und Anregungen. So werden Angelegenheiten, die den Ortsteil Rübenach betreffen, von den Rats- und Verwaltungsauschüssen beschlossen, ohne dass der Ortsbeirat vorher davon etwas erfährt. Frühe Erkenntnisse, die auch heute noch immer wieder vorkommen.
Bis zum Neubau der städtischen KiTa „Zauberland“ 1994 in der Lambertstraße stand an dessen Stelle die alte Ortsverwaltung. Foto Wilfried Mohr
In den folgenden Jahren begleiteten nachfolgen Personen das Amt des Ortsvorstehers:
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- 1971 – 1986 Paul Henz CDU
- 1986 – 1989 Werner Reif CDU
- 1989 – 1999 Hans Raffauf SPD
- 1999 – 2009 Andreas Biebricher CDU
- 2009 – 2014 Klara Kameisis CDU
- 2014 – 2019 Christian Franké SPD
- seit 2019 Thomas Roos CDU
Hier einige markante Eckpunkte, die seit der Eingemeindung durch die öffentliche Hand vollzogen wurden
1971 – Mit Datum 7. November ist Rübenach Stadtteil von Koblenz
In der Folgezeit wurden mit einer anschließenden Jahrzehnten langen Verzögerungen die begonnene Kanalisierung mit Straßenausbau angegangen. Im Auseinandersetzungsvertrag steht hier unter § 5 Abwasserbeseitigung und Straßenbau folgendes:
„Die Stadt Koblenz verpflichtet sich, die von der Gemeinde Rübenach begonnene Ortskanalisation ohne Verzögerung in der nachstehend angegebenen Reihenfolge fortzuführen und in spätestens 5 Jahren, gerechnet vom 1.1.1971 an, abzuschließen.“
Wie lange dies letztlich gedauert hat, ist in Rübenach allseits gekannt!
1974 – Rübenach wird an das Fernsprechnetz angeschlossen
1974 – Baugebiet Keltenstraße wird erschlossen
1980 – Brunnenplatz Ecke Grabenstraße/Florianstraße wird eröffnet
1983 – Der öffentliche Bahnverkehr (Mayen/Koblenz) wird eingestellt
1992 – Rübenach erhält eine Schulsporthalle (Franz-Mohrs-Halle)
1992 – Parkplatz Ecke Alemannenstraße/Aachener Straße erstellt
1994 – In Rübenach werden Tempo 30 Zonen eingerichtet
1995 – Die Kindertagesstätte „Im Zauberland“ wird eröffnet.
1995 – KEVAG Busse dienen Rübenach an
1995 – Erschließung GVZ
1996 – Zusätzliche Bushaltestellen werden in Rübenach eingerichtet
2004 – Neubaugebiet „In der Klause“ wird erschlossen
2009 – Naherholungsgebiet am Sportplatz fertig gestellt
2015 – Tierheim Koblenz wird eingeweiht
2017 – Weitere Verkehrsberuhigungen in der Aachener Straße werden eingerichtet
…………..(Fahrbahnverschwenkung Ortseingang)
2018 – Verkehrsberuhigende Maßnahmen in der Lambertstraße vor der KiTa erstellt
2018 – Brückerbach wurde renaturisiert
2018 – Geschwindigkeitsmessanlage in Richtung Bassenheim installiert
2020 – Rübenach erhält mit „Am Rübenacher Bahnhof“ eine neue Straße
2020 – Geschwindigkeitsdämpfende Maßnahmen in der Kilianstraße erstellt
Doch wie sieht die Zukunft aus?
Einer der größten „Baustellen“ Rübenachs ist weiterhin die innerörtliche Verkehrssituation sowie fehlende Schallschutzmaßnahmen an der A48. Gegebenheiten, die den Ort und damit die Bewohner zunehmend belasten. Auch fehlende Bebauungspläne (Beispiel Sendnicher Straße) oder schmale Durchgangsstraßen wie die Kilianstraße führen zu stetig größer werdenden innerörtlichen Verkehrsproblemen. Hier besteht seit vielen Jahren Handlungsbedarf.
Auch das 1995 erschlossene GVZ wird auf Grund eines zunehmenden Verkehrsaufkommens und der Versiegelung wertvoller Ackerflächen in der Bevölkerung weiterhin kritisch betrachte. Wann hier bereits 2016 geforderte Maßnahmen Rübenacher Stadtratspolitiker zur Entlastung Rübenachs erfolgen, bleibt abzuwarten. Hinzu kommt, dass im Bereich östlich der A61 Windkrafträder aufgestellt werden sollen. Hier wurden von einem Betreiber solcher Anlagen für die Nutzung von Grundstücken den Eigentümern (abseits jeglicher Rücksprache mit Politik und Verwaltung) bereits Geldbeträge angeboten!
Auf ein Minimum im Laufe der Jahre ist dagegen zum Leidwesen der hiesigen Bevölkerung die innerörtliche Nahversorgung geschrumpft. Gab es in der Vergangenheit noch mehre Bäckereien und Metzgereien, einen Supermarkt sowie diverse Einzelhandelsgeschäfte, so sind es heute zwei Hofländen, die zur notdürftigen Grundversorgung im Ort beitragen. Gleiches gilt für die Gastronomie, auch hier hat das „Kneipensterben“ sich dem allgemeinen Trend in städtischen Vororten, nach und nach vollzogen.
Die Grabenstraße heute ist eine vielbefahrene innerörtliche Verbindungsstraße mit teils neuer Wohnbebauung und einem Haltepunkt für den ÖPNV. Foto Herbert Hennes
Ortsvereine beleben das Ortsgeschehen
Ungeachtet sind es unserer Ortsvereine, die in vielfältiger Weise zur Belebung des Ortsgeschehens oder auch zur Aufwertung des Ortsbildes beitragen. Maßnahmen, die ohne öffentliche Hand, nur durch eigenes Engagement und mit Hilfe von Sponsoren realisiert wurden.
Hierzu zählen u. a. Projekte wie die Aufstellung des „Möcke“ Denkmals, die Herrichtung des alten Kirmesplatzes (Ecke Lambertstraße/Alte Straße), Anbringung historischer Straßenbeschilderung im alten Teil von Rübenach sowie Begrüßungsschilder an den Ortseingängen. Einrichtung eines Minispielfeldes sowie eines Mehrgenerationenplatzes neben dem Sportplatz, Aufstellen von Stelen und Bänken am durch Rübenach führenden Jakobsweg, private Einzelaktivitäten wie das Pflegen und Erhalten von Biotop und Grünflächen, Ehrung verdienter Rübenacher Bürgerinnen und Bürger oder auch Aktivitäten, die sich gegen den zunehmenden Verkehr und Lärm im Ort richten. Hinzu kommen kulturelle Veranstaltungen, wie Kirmes und Karneval, Chorkonzerte sowie eine Vielzahl von Sportmöglichkeiten. Initiativen, die allesamt dazu beitragen, dass Leben in Rübenach angenehm und lebenswert zu gestalten.
Heute, nach 50 Jahren, gehört die einst kontrovers geführte Diskussion über eine letztlich nicht zu verhindernde Eingemeindung längst der Vergangenheit an. Die Bevölkerung hat sich daran gewöhnt, in einem Stadtteil zu wohnen, und politisch betrachtet hängt man wie auch alle anderen Ortsteile am „Tropf“ der Stadt Koblenz. Wie die Geschichte Rübenachs ohne Eingemeindung gegebenenfalls hätte verlaufen können und ob dies eventuell besser für unseren Ort gewesen wäre, darüber lässt sich mit einem Blick auf die Nachbargemeinde Bassenheim durchaus spekulieren.
Herbert Hennes Redaktion unser-ruebenach.de – 06.11.2020